Deutschland und Großbritannien

Deutschland und Großbritannien vereint eine besondere historische, wirtschaftliche und kulturelle Verbindung. Die Bundesrepublik ist nicht nur seit Jahren der größte europäische Handelspartner des Vereinigten Königreichs und ein wichtiger Verbündeter bei Klimaschutz und internationaler Zusammenarbeit – die gemeinsamen Verflechtungen reichen Jahrhunderte zurück. Man denke nur an die ernestinischen Wurzeln des britischen Königshauses, den bedeutenden Einfluss des deutschen Barock auf die englische Musik der frühen Neuzeit oder das Erbe des British Enlightenment an die deutsche Philosophiegeschichte. Diese engen binationalen Bindungen haben, wie unlängst der britische Thronfolger Charles bei seinem Deutschlandbesuch anlässlich des Volkstrauertags in Erinnerung rief, zwei Weltkriege überdauert. Doch seit dem Votum der Briten für den EU-Austritt und den zähen Verhandlungen mit der EU über die Gestaltung zukünftiger Beziehungen herrscht Verunsicherung über die gemeinsame Zukunft; dies gilt auch und gerade für den Tourismusstandort Deutschland.

Die deutsche Incoming-Reisewirtschaft treibt die bange Frage um: Welche Auswirkungen wird der Brexit auf das Reiseverhalten der Briten haben – und was sind die Folgen für die Branche? Doch die Marktkennzahlen und eine aktuelle Studie von IPK International im Auftrag der DZT geben Anlass für Hoffnung. Großbritannien wird auch post-Brexit ein essenzieller Quellmarkt für das deutsche Incoming bleiben, und zwar aus drei Gründen.

Erstens: Das Vereinigte Königreich ist traditionell unter den Top 5 der stärksten Quellmärkte für den deutschen Incoming-Tourismus fest etabliert. Zu Beginn der Dekade lag die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus UK in Deutschland bei 4,2 Millionen und stieg auch unmittelbar nach dem Brexit-Votum weiter bis auf 5,9 Millionen; erst 2019 wurde erstmals ein leichter Rückgang auf 5,6 Millionen gemessen. Laut IPK International hält Deutschland auch nach dem Brexit seinen stabilen Platz im Ranking britischer Zieldestinationen. Erfreulich ist zudem: Vor allem jüngere Generationen, die bereits 2016 mit großer Mehrheit für „Remain“ gestimmt hatten, wollen sich auch nach dem EU-Austritt ihren Deutschlandurlaub nicht nehmen lassen.

Zweitens: Gerade ein Fünftel der Briten ist sich sicher, dass der Brexit einen Einfluss auf ihre zukünftigen Auslandsreisen haben wird. Fast 40 Prozent halten hingegen trotz möglicher höherer Übernachtungs- und Flugkosten oder längerer Einreisezeiten mit typisch britischer Gelassenheit an ihren bisherigen touristischen Präferenzen fest. Weitere 14 Prozent machen ihre Einschätzung abhängig von der Erreichung eines „Deals“ – ein Szenario, das nach einer Reihe von Umbrüchen und Personalwechseln in der britischen Regierung nun wieder weitaus wahrscheinlicher geworden ist.

Drittens: Die Mehrheit der Briten reist weiterhin im eigenen Kontinent. Laut einer aktuellen Travel-Sentiment-Studie der European Travel Commission (ETC) will ein Drittel der reisewilligen Bewohner des Königreichs in den kommenden sechs Monaten eine Destination im europäischen Ausland besuchen, während es weniger als zehn Prozent in die außereuropäische Ferne zieht. Im Hinblick auf einen der größten europäischen Outbound-Märkte, der 2019 mit 78,1 Millionen Auslandsreisen und Ausgaben in Höhe von 90,6 Milliarden Euro in den globalen Travel- und Spending-Top-5-Quellmärkten vertreten ist, sind dies ausgesprochen positive Nachrichten.

Reisewillige Briten bleiben mehrheitlich in Europa – und im eigenen Land

Ob „Deal-Brexit“ oder „No-Deal-Brexit“, wir haben gute Gründe, um mit Zuversicht auf die britisch-deutschen Reisebeziehungen der 2020er zu blicken. Die Herausforderung und große Chance besteht darin, gerade in diesen schwierigen, von COVID-19 überschatteten Zeiten das besondere Verhältnis beider Länder und unsere geteilten kulturellen Wurzeln als Reiseinspiration zu kommunizieren. Ich bin sicher, dass der Tourismus zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland auch in Zukunft ein bedeutender Faktor der wechselseitigen Bereicherung und der Prosperität sein wird.

Bleiben Sie gesund.

Herzlich

Ihre Petra Hedorfer