Perspektiven für den deutschen Incoming-Tourismus nach den Reisebeschränkungen
Seit Anfang der Woche können Menschen in vielen europäischen Ländern wieder touristische Reisen ins Ausland unternehmen – ein wichtiges und positives Signal für die Tourismusbranche generell und für die Wiederbelebung des deutschen Incoming-Tourismus!
Dennoch wird es ein einfaches ‚Weiter so‘ ebenso wenig geben wie eine automatische Rückkehr zu den Marktverhältnissen des Jahres 2019. Denn die Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Reisen in Zeiten von Corona bedeutet vielfach Neuland – für die Reiseindustrie, für die Kunden und für das touristische Marketing.
Damit dies effizient und erfolgreich wird, haben wir als DZT zwei international angelegte Marktstudien in Auftrag gegeben, um die Perspektiven für den deutschen Incoming-Tourismus nach den Reisebeschränkungen infolge der Corona-Pandemie zu analysieren. Die wichtigsten Ergebnisse der Studien möchte ich mit Ihnen in diesem Format teilen.
Tourism Economics untersuchte den Einfluss der Pandemie auf die 15 wichtigsten Quellmärkte des Reiselandes Deutschland, Marktsegmente und verschiedene Szenarien für die Recovery-Phase.
Demnach erwarten die Marktforscher im laufenden Jahr ein Minus von 45 Prozent bei den Übernachtungen aus Europa und von 64 Prozent aus Übersee. Ende 2023 könnten wieder die Übernachtungszahlen des Jahres 2019 erreicht werden.
Vor allem westeuropäische Quellmärkte dürften sich am schnellsten erholen. Die Top 5 Quick Recovery-Länder sind nach dieser Prognose Dänemark, Belgien, die Schweiz, die Niederlande und Österreich, gefolgt von den Mid 5 Recovery-Ländern Frankreich, Schweden, Großbritannien, Spanien und Italien. Osteuropäische Länder wie z.B. Russland, Tschechien und Polen sowie Überseemärkte kommen langsamer ‚back on track‘.
Geschäftsreisen sind am härtesten von der Krise betroffen. Laut Tourism Economics werden geschäftlich begründete Ankünfte auch 2023 noch nicht das Volumen des Jahres 2019 erreicht haben. Die Erholungsphase des deutschen Incomings wird vielmehr durch Freizeitreisen getragen.
Ausgewählte Charts zur Studie von Tourism Economics(PDF, 1,73 MB) sind im Anhang dieses Blogbeitrags zu finden.
Die zweite Studie von IPK International dokumentiert im Rahmen des World Travel Monitor die Auswirkungen von Covid-19 auf das Reiseverhalten im internationalen Tourismus. Basis der im Mai durchgeführten Untersuchung sind Interviews mit Auslandsreisenden in 18 Quellmärkten.
Demnach gibt es im Moment weltweit noch eine relativ starke Zurückhaltung, ins Ausland zu reisen. Immerhin sagen aber - über alle Märkte hinweg – 50 Prozent, dass Auslandsreisen nach Grenzöffnung in Frage kommen, auch, wenn noch kein Impfstoff zur Verfügung steht.
Im Vergleich der Kontinente ist die Reisebereitschaft bei Europäern mit 61 Prozent am stärksten ausgeprägt.
Als besonders niedrig wird das Corona-Risiko bei Autoreisen, naturorientiertem Urlaub und individuellen Urlaubsformen eingeschätzt. Kultur- und Städtereisen sowie Rundreisen liegen im Mittelfeld der Risiko-Einschätzung; Theater-/Konzertbesuche und größere Veranstaltungen werden mit einem eher hohen Corona-Risiko bewertet.
Besonders beachtlich finde ich in diesem Zusammenhang eine Bewertung Deutschlands im internationalen Vergleich: Bei der Frage, welche Reiseziele unter dem Gesichtspunkt ‚Corona-Risiko‘ als sicher oder unsicher erscheinen, erhielt Deutschland die beste Bewertung – vor unseren Nachbarländern Dänemark, Schweiz und Österreich.
Auch zur Studie von IPK International(PDF, 3,47 MB) sind ausgewählte Charts im Anhang dieses Blogbeitrags zu finden.
Wenn ich die Ergebnisse der Studien, die Market Insights aus unseren Auslandsvertretungen und unsere Erfahrungen aus früheren Krisen übereinanderlege, gewinnt die Strategie immer weitere Konturen, mit der wir den deutschen Incoming-Tourismus wieder zum Erfolg führen wollen.
Die Herausforderungen: Exponierte Marktsegmente des Reiselandes Deutschland, wie Kultur- und Städtereisen oder das MICE-Segment, sind besonders von der Corona-Pandemie betroffen. Der Wettbewerb der Destinationen wird sich aufgrund des kleineren Marktvolumens verschärfen. Kapazitäten in der touristischen Infrastruktur, beispielsweise bei Airlines und in der Hotellerie sind auf absehbare Zeit limitiert.
Kunden entwickeln mit und nach der Corona-Erfahrung neue Ansprüche an Qualität, Nach- und Werthaltigkeit.
Die Chancen: Deutschland genießt international eine ausgezeichnete Reputation: Die Deep Knowledge Group attestiert unserem Gesundheitsmanagement Bestnoten neben der Schweiz und Israel. Mit Blick auf das aktuelle Infektionsrisiko erzielen wir laut IPK das beste Ergebnis im internationalen Vergleich.
Leistungsträger entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette haben in den vergangenen Wochen bereits erfolgreich Produkte an die zusätzlichen Anforderungen angepasst, die uns begleiten werden, solange das Virus nicht völlig beseitigt ist. Hygiene- und Abstandsregeln wurden umgesetzt, Besucherströme entzerrt und gelenkt.
Naturnaher Urlaub in den Feriengebieten, beispielsweise Aktivurlaub mit Wandern und Radfahren bieten gute Möglichkeiten, trotz coronabedingter Verhaltensregeln einen erlebnisreichen Urlaub in Deutschland zu verbringen.
Ich bin fest überzeugt, dass wir mit unserer langfristigen Strategie, Nachhaltigkeit im Markenkern des Reiselandes Deutschland zu verankern, mit der Platzierung von Themen wie Naturlandschaften, Tradition und Brauchtum, Aktivurlaub und ländliche Regionen in unserem Kampagnenmarketing eine sehr gute Basis geschaffen haben, um unter den künftigen Wettbewerbsbedingungen erfolgreich zu agieren.
Um dieser Nachfrage kräftige Impulse zu geben, haben wir eine neue Kampagne kreiert: Germany - Dreams Become Reality.
In den kommenden Wochen starten wir weitere an die neue Werteorientierung unserer Kunden adaptierte Kampagnen, um das Reiseland Deutschland zielgruppengerecht zu positionieren.
2021 thematisieren wir dann „German.Spa.Tradition“ passend zum 200. Geburtstag von Sebastian Kneipp 2021. Im Mittelpunkt steht hier das vielfältige Angebot der mehr als 350 prädikatisierten deutschen Kurorte und Heilbäder. Eine zweite Kampagne German.Urban.Culture stellt den kulturellen Reichtum und die Atmosphäre der kleineren Städte jenseits der Metropolen in den Mittelpunkt.
Hierzu aber mehr in der nächsten Ausgabe meines Blogs.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle allen Partnern im Deutschlandtourismus für ihre großen Anstrengungen zu danken, die uns jetzt den gemeinsamen Start in die Recovery-Programme ermöglichen.
Mit Mut und Kraft, klugen Ideen und der Ausdauer, die es sicher braucht, bin ich überzeugt, dass wir den deutschen Incoming-Tourismus wieder ‚back on track‘ bringen - auch wenn große Herausforderungen auf uns warten.
Herzlich
Ihre Petra Hedorfer